Dienstag, 26. Februar 2008

»Den Druck aushalten«

Sei kein Wattebausch: In Dortmund gab es eine Konferenz über Sportjournalismus.

Auch wurde in einer »Dortmunder Erklärung« die Freilassung des chinesischen Bürgerrechtlers Hu Jia gefordert, der im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 in Peking wegen »Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt« verhaftet und dessen Familie unter Hausarrest gestellt wurde.


Stehen Sportjournalisten unter besonderem ökonomischen Druck?

Im Milliardengeschäft Sport standen Journalisten schon immer unter Druck. Doch zur Zeit erhöhen sich die Kräfte aus Wirtschaft, Politik und Sport, die auf sie einwirken. Außerdem ist es ja nicht so, daß Intendanten, Chefredakteure oder Ressortleiter den recherche-orientierten Sportjournalismus vorurteilsfrei fördern würden. Ganz im Gegenteil. Viele dieser Hierarchen setzen Sport- mit Unterhaltungsjournalismus gleich und schieben finanzielle Interessen in den Vordergrund, etwa wenn viel Geld für Übertragungsrechte bezahlt worden ist. Ich sage allerdings auch: Ein Journalist sollte derartigen Druck aushalten und nicht beim ersten Gegenwind wie ein Wattebausch davonfliegen. Journalisten haben im Sinne ihrer Kunden Haltung zu bewahren und Öffentlichkeit herzustellen. Sie dürfen keine Promoter sein.

Zum Beispiel Promoter der Fußballbundesliga?

Bundesliga-Berichterstattung der TV-Rechteinhaber, der Boulevardmedien, aber in großen Teilen auch der Qualitätsmedien ist, auf den Kern reduziert, Promotion für einen gigantischen Wirtschaftsbetrieb. Manche mögen es Rechercheleistung nennen, wenn Sportreporter Details über Transfers von Spielern und Trainern erkunden. Aber auch das ist letztlich nur Promotion, denn jeder Bericht über die üblichen Transfergerangel erhöht doch nur die Summen, die die Beteiligten rausschlagen wollen. Wirkliche Recherchen sind selten. Freddie Röckenhaus und Thomas Hennecke haben es geschafft, die finanzielle Schieflage von Borussia Dortmund zu enthüllen. Andere wie Andrew Jennings oder Thomas Kistner befassen sich mit den Machenschaften im Weltverband FIFA und damit auch mit Korruptionsthemen. Aber fast alle Reporter, die sich stolz Football Writer nennen, gehen die harten Themen nicht oder nur ganz selten an. Mißwirtschaft, Korruption und Doping im Fußball – das sind meist noch Tabuthemen, auch in Qualitätsmedien.

Hat das auch Auswirkungen auf die Vergabe von Akkreditierungen zu Fußball-Länderspielen, Euro- oder Weltmeisterschaften?

Ich glaube nicht, daß es sich in Deutschland jemand erlaubt, diese Journalisten von Großereignissen auszuschließen. Mir hat der ehemalige NOK-Präsident Walther Tröger mal gesagt: »Sie glauben doch nicht wirklich, daß ich so blöd wäre und mich in die Vergabe der Akkreditierungen einmische?« International, vor allem in der FIFA, sieht das schon anders aus. Andrew Jennings wurde zur Persona non grata erklärt und erhält seit sechs Jahren keine Akkreditierungen für FIFA-Veranstaltungen. Mich selbst hat die sogenannte FIFA-Ethikkommission im Februar 2006 bei der WM zur Persona non grata erklärt, aber FIFA-Präsident Sepp Blatter hat das zurückgenommen, weil er wußte, was das für ein PR-Desaster geworden wäre. Gemeinsam mit internationalen Kollegen, initiiert von der Vereinigung »Play the Game«, haben wir es 2006 übrigens geschafft, eine WM-Akkreditierung für Lasana Liburd aus Trinidad zu erhalten, der Enthüllungsgeschichten über die Privatgeschäfte des FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner geschrieben hat. Warner verweigerte ihm die Akkreditierung.

Meinen Sie, die von Ihnen organisierte Dortmunder Konferenz hat auch praktische Konsequenzen?

Praktische Konsequenzen? Niemand von uns kann den Journalismus ändern. Wir können nur Beispiele zeigen, daß es auch anders geht, als im Strom mitzuschwimmen. Daß es sich lohnt, zu recherchieren und andere Themen jenseits des PR-belasteten Mainstreams aufzugreifen. Eine der Grundaufgaben des Journalismus ist es, Mißstände aufzudecken. Daran erinnern wir. Und wir versuchen, unser Wissen, unsere handwerklichen Fähigkeiten weiterzuvermitteln. Wir versuchen, uns weit über den Journalismus hinaus zu vernetzen, also beispielsweise mit Wissenschaftlern, die noch nicht den Kontakt zum wirklichen Leben verloren haben und den Verlockungen ihres Berufsstandes, die ja viele Parallelen zu den Verlockungen im Journalismus aufweisen, noch nicht erlegen sind. Wir versuchen, in praktischen Workshops Tools für die tägliche Arbeit zu vermitteln. Das Interesse daran ist riesig. Die Reaktionen auf die Sportjournalismus-Konferenz in Dortmund, die erste dieser Größenordnung in Deutschland überhaupt, waren teilweise euphorisch. Es wird also eine Fortsetzung geben.

Den Vortrag von Jens Weinreich und weitere Informationen finden Sie hier:

Quelle: Junge Welt 21022008

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