Donnerstag, 20. September 2007

Bildsprache für Fortgeschrittene


Der große Beatpoet Allen Ginsberg sagte in Martin Scorcese Film „No Direction Home“ über Bob Dylan „er sei eine Pilar aus Atem geworden“ als Dylan "It`s Alright Ma I`m Only Bleeding" spielte, so gleicht auch Handkes Erzählen mehr und mehr einer Atembewegung in der sich die Bilder einander eigenständig losgelöst verfolgen। Auch in diesem Buch setzt Peter Handke die Geschichte fragend in Bewegung.Augenscheinlich geht es um eine Musikantin/Sängerin mit göttlichen Eigenschaften, welche der Erzähler der ganzen Novelle lang folgt. Am Ende wird allerdings deutlich das vor allem um ein Kind geht, welches verloren gegangen ist und wiedergefunden wird. In der Zwischenzeit bewegen wir uns durch Europa, am Anfang sind wir in einer Stadt, die vielleicht, oder auch nicht, mit Salzburg identisch ist. Jedenfalls spielt Salz -- das Kalisalz -- eine zentrale Rolle und so findet die Geschichte ihren Wendepunkt im tiefsten Inneren eines Salzberges. Dieser Berg befindet sich in einem toten Winkel irgendwo in Europa, wo die Frau ankommt auf einem Schiff mit dem Namen DER AUSWANDERER.


Handkes filmischer Blick bietet ihm die Gelegenheit, vielen seiner beliebten Themen nachzugehen. So begegnen wir einem Querfeldeinwanderer, ein typischer Handke Terminus, der sich vielleicht nicht nur auf die Bewegung durch die Landschaft bezieht, sondern auch auf das Werk des Erzählers selbst. Am Ende der Geschichte begegnet das Kind sogar einem Querfeldeinradfahrer, eine Figur mit der Handke normalerweise wenig zu tun hat, aber dieses Mal ist es einer der fährt ohne das übliche Dress und den Helm auf dem Kopf, er spricht sogar das Kind an mit den Worten: "Dort hinten steht ein Pilz, ein Schöner". Auch der Genuss vom Pilzefinden, ist ein bekanntes Thema und so wird die Geschichte bestimmt, von diesen Bildern in denen Handke viele der Probleme der Jetztzeit andeutet; aber wie er das schon in "Die Lehre der St Victoire" getan hat, trotzdem immer Möglichkeiten sieht, zur wahrhaften Empfindung. Dieses Empfinden findet man vor allem dort, wo man es zuletzt erwarten würde. Das seinen Lesern deutlich zu machen ist Handkes großer Verdienst und in dieser Novelle gelingt es ihm in knapp 160 Seiten.

Wenn Sie uns jetzt fragen wie wir Allen Ginsberg, Martin Scorcese, Bob Dylan und Peter Handke in eine Vorwintergeschichte bekommen? Dann möchten wir Sie auf die Werke von E.M. Cioran hinweisen: Angesichts des Todes schwanke ich unaufhörlich zwischen dem "Geheimnis" und dem "GARNICHTS".

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Andreas Geil (Berlin/Niederrhein) / Peter Bisschop (Edinburgh) tauschen sich seit vielen Jahren über die Werke von Peter Handke, E.M.Cioran und Bob Dylan aus.

Kali
Eine Vorwintergeschichte
Erschienen: 03.02.2007
160 Seiten, Englische Broschur
Euro 16,80 [D] / Euro 17,30 [A] / sFr 29.70
(ISBN 978-3-518-41877-2)

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