Freitag, 30. März 2007

Lass dich impfen!

Radiosender verbreiten unlautere Pharmawerbung

Zuerst reimten Kinder Verse, dann machte eine Männerstimme auf die "große Impfaktion" gegen Hirnhautentzündung bei Kleinkindern aufmerksam. Das klang so, wie wenn der Hausarzt an ein Versäumnis erinnert, freundlich, aber bestimmt. Die Hörer dieses Radiospots, den viele Hörfunkstationen von Dezember 2006 an sendeten, mussten denken, dass es sich um eine Kampagne der Bundesregierung handelt, die impfskeptische Eltern überzeugen sollte. Doch finanziert hat den Spot der deutsche Zweig der amerikanischen Pharmafirma Wyeth
Dem für Impfungen zuständigen Robert Koch Institut in Berlin sowie einer Selbstauskunft von Wyeth zufolge stellt das Pharma-Unternehmen als einziges den Impfstoff her, der die von Pneumokokken verursachte Hirnhautentzündung bei Kindern zwischen drei und 24 Monaten bekämpfen soll. Nur erwähnt wurde dieses Detail nicht.

Manfred Nickel vom Deutschen Werberat findet den anonymen Impf-Spot irreführend. Er verweist auf die Regeln von Integritas, dem Verein zur Wahrung einer lauteren Werbung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, der zuständig ist für die Beantwortung rechtlicher Fragen zur Heilmittelwerbung: Unabhängig davon, ob sich ein Unternehmen den Bestimmungen des Pharmakodexes unterworfen hat oder nicht, sei der Grundsatz der Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt zu beachten, sagt die Integritas-Rechtsanwältin Andrea Schmitz. Das ergebe sich sowohl aus dem Heilmittelwerbegesetz als auch dem Rundfunkstaatsvertrag. "Es ist eine Art der Irreführung, wenn der Verbraucher sich eine falsche Vorstellung von der Herkunft des Inhalts macht", sagt Schmitz, "selbst wenn man, wie in diesem Fall, keine konkrete Produktwerbung, sondern Image- oder Themenwerbung annehmen möchte."

Anke Fischer-Appelt, die die Rechtsabteilung der WDR-Tochter Mediagroup leitet, erklärt, dass man beim WDR den Spot auf offensichtliche Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz geprüft habe, solche aber damals nicht erkennen konnte. Wyeth sei jedoch mitgeteilt worden, der Spot werde abgesetzt, sobald sich ein neuer Sachstand ergebe. "Die Grenzwertigkeit hat sich erst nach der Ausstrahlung herausgestellt", so Fischer-Appelt.

Seit diesem Montag, nach Anfragen der Süddeutschen Zeitung bei der WDR-Mediagroup und bei Wyeth, wird der Impf-Clip in den WDR-Programmen nicht mehr ausgestrahlt. Andere öffentlich-rechtliche und auch private Sender haben die anonyme Werbung daraufhin ebenfalls aus dem Programm genommen. Nach Auskunft des Wyeth-Sprechers Timm Volmer wurde der Spot inzwischen um den Hinweis auf eine Internetseite für weitere Informationen sowie den Herstellernamen ergänzt. Am heutigen Donnerstag soll er "voraussichtlich" wieder auf Sendung gehen.

Davon weiß man aber beim WDR und anderen Radiostationen offenbar noch nichts. "Der Spot liegt uns noch nicht vor", sagt Fischer-Appelt von der Mediagroup. "Generell haben wir uns aber entschlossen, aufgrund der vielen kritischen Zuschriften keine Werbung mehr für das Impfen gegen bestimmte Krankheiten auszustrahlen."HANNO CHARISIUS, ANDREAS GEIL

(SZ vom 8.2.2007)

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